Trotz Bauboom: Bedarf an Sportstätten in MV „bei weitem nicht gedeckt“ - Sportbuzzer.de

2023-02-15 16:51:21 By : Ms. Candice Mao

40 Bauvorhaben werden 2020 vom Land gefördert. Die Nachfrage nach Neu- oder Umbauten ist enorm. Denn MV hinkt trotz Großprojekten hinterher.

Auf dem Vereinsgelände des SV Pastow rollen in wenigen Tagen die Bagger an. Das schwere Gerät wird benötigt, um die überdachte Zuschauertribüne am Spielfeldrand bis Anfang Oktober fertigzustellen. Sie soll 300 Fans Platz bieten. „Wir wollen mit der Tribüne das schon hohe Niveau unseres Geländes weiter heben, unseren treuen Fans, Eltern, Großeltern bessere Bedingungen bieten“, sagt Gerald Worzfeld, Abteilungsleiter Fußball beim SVP. Vor vier Jahren wurde bereits das neue Vereinsgebäude eingeweiht. Seit 2009 stehen den Rand-Rostockern neben zwei Rasen- auch ein beleuchteter Kunstrasenplatz zur Verfügung. Die Pastower investieren kräftig.

Bagger buddeln aber nicht nur in Pastow. Überall wird auf den Sportanlagen in MV neu gebaut, saniert oder erweitert. Dutzende Projekte sind in Planung. Förderanträge bei Kommune, Land, Bund und EU sind massenhaft eingereicht. „40 Sportstättenbauprojekte haben grünes Licht für eine Förderung im Förderjahr 2020 erhalten“, schreibt das Sozialministerium von MV. Andreas Hielscher, Abteilungsleiter Sportstättenbau beim Landessportbund (LSB), ergänzt: „Wir haben einen Monat vor Fristende bereits weitere Förderanfragen in Höhe von 4,3 Millionen Euro für 2021.“

Die Baubranche im Sport boomt. Hielscher beziffert: Fast 1000 Sanierungen, An- und Neubauten von Sportplätzen und -gebäuden „verschlangen“ seit 1992 rund 127,3 Millionen Euro (61,6 Millionen Euro vom LSB gefördert). Und Hielscher erfasst lediglich die Anträge, die von Sportvereinen gestellt wurden. Rein kommunale Bauvorhaben sind darin nicht enthalten.

Durch die (kommunalen) Großprojekte, die aktuell in Planung oder bereits in Bau sind, werden die Investitionssummen im Sport gewaltig ansteigen. Der Stadionneubau an der Kupfermühle in Stralsund kostet etwa neun Millionen Euro. Die Sportschule auf der Mittelmole in Warnemünde, dessen Bauherr der LSB ist und die 2023 fertig sein soll sowie das geplante Radsportzentrum in Schwerin schlagen mit jeweils 15 Millionen Euro und die Ryck-Arena in Greifswald mit 20 Millionen Euro zu Buche. Das Ensemble um die neue Sportarena am Rostocker Hauptbahnhof ist mit einem 100-Millionen-Euro-Preisschild versehen. Auch „kleinere“ Bauvorhaben wie etwa die Goalball-Heimstätte in der Hansestadt (3,8 Millionen Euro), die Zweifelderhalle in Neukloster (3,6 Millionen Euro) oder der Abriss und Neubau der Turnhalle in Heringsdorf (4,6 Millionen Euro) belasten die Kassen.

Das Bauvolumen erscheint enorm. Hielscher relativiert die Zahlen aber prompt. In einem Bericht Anfang 2019 schrieb er: „Vor 20 Jahren lag die Anzahl an Sportstätten in MV weit unter dem Bundesdurchschnitt und der Sanierungsbedarf mit 70 Prozent weit darüber.“ Aktuellere Vergleichszahlen gibt es kaum. Nordrhein-Westfalen hat kürzlich 78 Millionen Euro zur Förderung der Sportstätten 2020 und 2021 bereitgestellt. Der LSB in MV darf jährlich über 2,4 bis 2,5 Millionen Euro vorentscheiden, bewilligt werden die Mittel schlussendlich vom Landesförderinstitut. „Wir möchten natürlich viel fördern als Grundlage für die Vereinsentwicklung. Deshalb müssen wir versuchen, mehr Gelder zu bekommen“, seufzt Hielscher, denn „aus meiner Sicht ist der Bedarf in MV bei Weitem nicht gedeckt.“ Wie groß der Bedarf genau ist, weiß Hielscher nicht. Ein Antrag zur Erfassung des Sportstättenzustandes in MV ist 2016 im Landtag gescheitert – zu teuer.

Die Tribüne in Pastow, für die schon 2017 Fördermittel beantragt wurden, kostet rund 280 000 Euro. Der Großteil kommt aus dem EU-Förderprogramm LEADER. 15 000 Euro haben die Vereinsmitglieder zusammengespart und eingebracht. „Als wir vor drei, vier Jahren mit Ideen für die Tribüne angefangen haben, haben wir mit ganz anderen Summen gerechnet“, erzählt Gerald Worzfeld.

„Die wenigsten Kommunen und Vereine können Baumaßnahmen ohne finanzielle Unterstützung Dritter stemmen“, weiß Thomas Nießen. Der Ingenieur hatte 2014 mit seinem Bergener Landschafts- und Freiraumarchitekturbüro die Planungen für das Sportareal an der Kupfermühle übernommen und weiß, welche Faktoren beim Sportplatzbau eine Rolle spielen. „Der Baugrund ist entscheidend“, beginnt Nießen und zählt eine lange Liste auf: Bebauungsrecht, Emissionsgenehmigung, Biodiversität, Ökologie, Kunst- oder Naturrasen, Beleuchtungssysteme, Be- und Entwässerungsanlagen, Multifunktionalität, Barrierefreiheit, UV- und Frostbeständigkeit, alternative Baustoffe, WLAN, moderne Zeitmessung, Blitzschutz.

„Wenn wir gefragt werden, was eine Tartanbahn kostet, liegen wir meist daneben. Man kann die Kosten nicht so einfach aufdröseln. Letztlich lautet die Frage: Wie weit will ich meine Sportanlage aufrüsten? Dann kostet der Quadratmeter einer Sportanlage etwa zwischen 22 und 95 Euro“, bilanziert Nießen, dessen Büro auch den Sportplatz an der Altstadtschule in Bergen plant.

Der Rüganer benennt einige Entwicklungen im Sportanlagenbau: „Es gibt vermehrt Nachfragen nach vereinsoffenen Sportplätzen und der Fokus richtet sich mittlerweile auf Ökologie und alternative Baustoffe.“ So sollen in der Greifswalder Ryck-Arena mehrere Sportarten ein Zuhause finden, an der Stralsunder Kupfermühle werden Fitnessgeräte und ein Laufpfad installiert und Kunstrasenplätze wie am Damerower Weg in Rostock werden von Gummi- auf Sand- oder Kork-Granulat umgerüstet.

Auf dem Kunstrasen in Pastow liegt (noch) Gummi-Granulat. Vielleicht ein Projekt für die Zukunft. Erst einmal müssen die Bagger eine Tribüne errichten.

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